
Hurra, Fußball-WM! Zwölf Jahre ist es schon wieder her, dass die Welt zum Fußball-Feiern zu Gast bei Freunden war, bei uns. Auch wenn wir sie uns mit ein paar Milliönchen Schmiergeld erschlichen haben, die WM dahoam, waren sie alle gern da. Dieses Jahr wird nicht geschmiert, sowas macht der Russe ja nicht. Niemals.
Was für eine geile Party das war, 2006. Unvergessen der Tag auf der Münchener Leopoldstraße, als eine tatsächlich nüchterne Biertischnachbarin mit glasigen Augen das Flaggenmeer bestaunte und zu mir sagte: “Gell, des is scho schön, dass ma jetzt wieder die deutsche Fahne raus tun können, ohne dass glei Ärger gibt mit die Juden.“ Meine Freunde und ich taten das einzig richtige, ignorierten Frau Braun und machten uns den Tag mit Turnier-Trinken noch schöner.
Auch dieses Jahr werden die deutschen Brauer sich freuen über den Welt-Kick in Russland, der ihr Absatz-Abwärts ein wenig bremsen wird. Prost! Und auch Frau Braun wird sich wieder freuen, wird wieder ihre Meinung raushauen, auch über die asozialen Medien, und viele Likes kriegen für ihre Kritik an all den "Negern" und "Kanacken" in der deutschen Nationalmannschaft, die so ja gar keine mehr ist. Und wieder wird sie all ihr unerträgliches Nazigeschwafel vergessen und kräftig jubeln, wenn Özil für Deutschland trifft oder Boateng einen Gegenspieler daran hindert. Das kann nur der Fußball.
Und was der noch alles kann. Bilden zum Beispiel. Schon jetzt werden wir auf allen Kanälen mit der unvermeidlichen Landeskunde über den Gastgeber informiert, ob wir wollen oder nicht. Wie vor vier Jahren, die Reportage aus den Favelas Rios: „Die Menschen hier haben nicht viel, aber die Freude am Fußball lassen sie sich nicht nehmen,“ grinste der Reporter in die Kamera. Bis zum 7:1 im Halbfinale halt. Sorry noch mal, Favelitos.
Dieses Jahr interessiert uns nun gefälligst, wie Borschtsch zubereitet wird. Oder wir begleiten unsere besten Journalisten, die sonst nix zu tun haben, auf ihrer Reise durch das größte Land der Welt. Schon die erste Folge der Mini-Doku-Serie im ZDF war Pulitzer-Preis-würdig. Von Sonstwo am Don Richtung Moskau. Wir nehmen den Zug, genauer gesagt, den Schlafwagen, weil Russland ja so groß ist und die Strecke so lang. Gleich nach dem Einsteigen eine kleine Babuschka gefragt, was sie von der WM hält. „Was hab ich denn davon? Meine Rente reicht nicht mal fürs Essen“. So viel Kritik an Putin, sensationell, wer hätte das erwartet. Babuschka blieb gleich im Zug sitzen, ab in den Gulag. Nein, wahrscheinlich haben alle Kritiker erstmal vier Wochen Ruhe, störende Journalisten werden nicht erschossen und die russische Armee wird sich in ihren Einsatzgebieten auch ein wenig zurückhalten. Mindestens bis zum Endspiel. Das hat ja Tradition, schon seit Berlin 1936.
Apropos Tradition. Gespannt bin ich drauf, welches arme Vieh heuer als Orakel missbraucht werden wird. Krake Paul, der zur Ergebnisvorhersage Futter aus nationalbeflaggten Behältern fraß, hat ja schon lange das Zeitliche gesegnet, Neptun hab ihn selig. Seither wurden für diverse Turniere neue tierische Prognosespäße erdacht. Wie zum Beispiel die Kuh, die zur EM in Österreich und der Schweiz vorab die Sieger jeder Partie verkündete. Mit einem dicken weißen Strich wurde ihre Weide in zwei Hälften geteilt. Entscheidend war, in welcher Hälfte der Kuhfladen landete. Vorteil: sie konnte sogar Unentschieden orakeln, indem sie einfach gezielt auf den Trennstrich schiss. Nachteil: Die Vorhersage fiel auch mal aus, denn Zenzi hatte manchmal nicht rechtzeitig Verdauung. Blöd. Oh, wie ich mich auf all diese begleitenden Entertainment-Highlights freue, die eine WM ja erst so richtig spaßig machen.

Als Marketeer freue ich mich natürlich auch auf all die kreativen Promotions und Sponsorings. Damals, 2006, in der Allianz-Arena, die man so nicht nennen durfte, weil die Allianz dafür nichts an die FIFA zahlte, damals sah ich dort inmitten unzähliger Samba-Schönheiten und besoffener Kängurus das Spiel Brasilien gegen Australien. Nach 45 Minuten ertönte über die Stadionlautsprecher: „Die Halbzeitpause wird präsentiert von Coca-Cola.“ Nur leider fand in der Halbzeitpause rein gar nichts statt, nicht mal ein Hauch von Helene-Fischer-Promo oder sonstiger Kulturgenuss. Trotzdem war das ganze Stadion sehr dankbar für diese Viertelstunde, die ohne Coca-Cola so wohl nicht möglich gewesen wäre. Und 2018? Die Rasenheizung wird präsentiert von Gazprom? Auch wenn Sommer ist, irgendwo in Russland frieren die Menschen bestimmt. Das Land ist ja so groß, wie gesagt.
Bei McDonald’s gibt es wenigstens jetzt schon den Deutschland-Burger, siehe oben. Mit schwarz-rot-goldenen Deutschland-Dipferln (lt. Produktbeschreibung lecker "Gesäme-Schrat") auf der Semmel. Toll. Noch toller find ich die Unternehmen, die sich einfach an den WM-Zug hängen, ohne der FIFA Milliarden in den Arsch zu blasen, weil „Fußball-WM“ halt doch nicht schützenswert ist, ätsch. Wie die Super Dickmann’schaft, eine Elferkette Schokoküsse. Süß.

Gehört alles dazu. Und, auch wenn das hier nicht so klingt, ich freu mich echt auf das Turnier. Mit Freunden und meiner alten Mamma schlandfarben vor der Glotze sitzen, Bierchen trinken, aufregen, Spaß haben und den fünften Stern feiern. Jawoll!